CX LOUNGE Transkript #03

Hightech-Erlebnisse in der Landwirtschaft

Zusammenfassung der Folge

Die Landwirtschaft ist weltweit essenziell und gefordert. Zunehmend komplexe Maschinen, Systeme und Abläufe fordern mehr Fokus auf Customer Experience. In ihrer Rolle als Innovationstreiber für Kundenerfahrungen wird die Landwirtschaft jedoch häufig unterschätzt. Was also bedeutet Customer Experience bei CLAAS, dem europäischen Marktführer in der Produktion von Mähdreschern? Wie gestaltet man riesige Maschinen nach Kundenbedürfnissen? Im Gespräch zeigt CLAAS eine klare Haltung und einen eindeutigen Plan.

Sprecher:
Kai Vorhölter x Prof. Dr. Waldemar Pförtsch x Jan Heise

Kai Vorhölter

Herzlich Willkommen zur CX Lounge, dem Customer Experience Talk in der Region. Mein Name ist Kai Vorhölter. Ich bin CEO und Gründer von port-neo und freue mich heute ganz besonders, dass wir erstmalig in die B2B Welt abtauchen und nicht nur irgendwo hin, sondern einen der berühmten Hidden Champions heute befragen dürfen und da freut es mich sehr Jan, dass du da bist. Herzlich willkommen, Jan!

Jan Heise

Hallo

Kai Vorhölter

Jan Heise ist Head of Business Development and Transformation bei Claas. Und ja, meinen Jungs werde ich nachher davon erzählen müssen, weil bei drei kleinen Jungs in dem Alter ist das natürlich eine ganz hohe Liga: Traktoren und Mähdrescher. Aber da werden wir gleich noch mehr von hören. Ich freue mich natürlich auch ganz arg, dass wie immer mein Dauergast dabei ist Professor Dr. Waldemar Pförtsch, der natürlich seinen Hintergrund aus der Forschung und Wissenschaft wie immer reinbringen wird. Herzlich Willkommen, auch dir Waldemar.

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Danke, Kai. Toll, Jan wiederzusehen nach 20 Jahren!

Kai Vorhölter

Genau. Das ist vielleicht noch ein guter Hinweis. Jan, wir kennen uns ja. Wir sind zusammen bei Bosch gestartet und sind beide auch aus Ostwestfalen, tatsächlich. Und du teilst dir ja auch mit mir, dass du den Waldemar auch als Marketing-Professor hattest. Jan, jetzt kurz zu dir: Du hast wirklich einen sehr spannenden Lebenslauf, hast schon viele Stationen hinter dir, warst in der Beratung, hast verschiedene Unternehmen auch kennengelernt. Was hat dich jetzt am Ende zu Claas hingezogen?

Jan Heise

Also, ich hoffe, es ist noch nicht das Ende, aber ich glaube bei Claas kommen für mich drei wichtige Dinge zusammen, die sich auch über die Zeit bei mir im Lebenslauf irgendwie entwickelt haben. Zunächst mal, dass es ein familienorientiertes Unternehmen ist, ein Unternehmen, welches langfristig denkt. Wir sind nicht davon getrieben, kurzfristig den Aktienkurs zu treiben und das erlaubt natürlich ein ganz anderes, nachhaltiges Arbeiten und vielleicht sogar einen stärkeren Kundenfokus.

Wir können uns wirklich auf die Kunden zu konzentrieren und nicht immer nur primär darauf, dass wir Gewinn machen. Der zweite Aspekt ist ganz klar das Produkt. Das ist natürlich ein sexy Produkt, ein großes, ein technisch anspruchsvolles, ein wirklich beeindruckendes Produkt. Wenn man das auf der Straße fahren sieht, dann kriegt man eine ungefähre Vorstellung davon, wenn man mal davorsteht und feststellt: Der Reifen ist noch zwei Köpfe größer als ich.

Das hat schon was. Und last but not least ist es der Standort, das würde man vielleicht gar nicht denken, wenn man hört, das ist in Harsewinkel, ganz tief im Kreis Gütersloh. Aber da hat sich bei mir einfach eins zum anderen gefügt. Als die Kinder kamen, wollten wir einfach wieder zurück in die Region. Ich bin ja hier aus Ostwestfalen, Familie und Eltern leben hier noch und dann war das für mich der perfekte Move.

Kai Vorhölter

Cool! Waldemar, du bist ja Autor mehrerer Standardwerke unter anderem was das Thema B2B-Marketing betrifft. Hast ja auch viel über B2B Marken geschrieben. Ich glaube, du freust dich auch besonders auf die Folge heute. Was ist so dein Blick auf Claas?

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Also wir haben hier einen Hidden Champion und Global Player. Also es ist ja nicht nur, dass er in Ostwestfalen beheimatet ist, sondern er bedient ja die Welt und er hat ein Produkt, welches eigentlich der Welt einen Nutzen bringt, also der Welt an sich und natürlich auch den Bauern und den Menschen, die sozusagen mit besseren Ernten und mit besseren Produkten ihr Leben verbessern können. Und deswegen denke ich, wenn man so ein Unternehmen vor sich hat, das sowohl – wie Jan gerade gesagt hat, familienorientiert ist, bodenständig ist und noch was tut für die Verbesserung der Welt – da kann ich nur sagen, das ist ein ganz außergewöhnliches Unternehmen. Und deswegen finde ich das toll, dass du da gelandet bist und natürlich, dass du uns jetzt deine Erfahrungen mitteilst.

Kai Vorhölter

Ja, ich glaube, das kann man ja noch weitertragen. Also bei dem Bevölkerungswachstum, was wir haben, ist es ja nicht nur ein Thema, dass ihr den Landwirten helft, sondern das ist ja auch eine Aufgabe, die wir als Weltbevölkerung insgesamt zu lösen haben und da tragt ihr ja auch maßgeblich dazu bei. Also das ist natürlich wirklich mal ein Higher Cause von einem Unternehmen.

Jan Heise

Also ich glaube, da sind wir in einer Branche, wo dauerhaftes Wachstum auf jeden Fall gesichert ist, einfach, weil die bewirtschaftbaren Flächen abnehmen durch Urbanisierung. Aber der Bedarf nimmt zu. Das kann man ja im Prinzip nur durch technischen Fortschritt lösen. Und da sind wir mit Sicherheit ganz vorne dabei.

Kai Vorhölter

Super! Jan, wenn man jetzt per se erst mal an Landwirtschaft denkt, dann denkt man nicht sofort an Hightech. Ich denke zumindest, viele haben da noch Bilder von – weiß ich nicht – Gummistiefeln, Ställen, Heugabeln und wie auch immer, die dann in einem romantisch hochkommen. Jetzt ist es ja so, dass eure Fahrzeuge mittlerweile wirklich, kann man sagen, Hightech Fabriken auf Rädern sind. Erklär mal ein bisschen, es geht ja bei uns um das Thema Customer Experience, damit auch User Experience, wie ist denn das für den Landwirt heute, wenn er in einem eurer Fahrzeuge sitzt?

Jan Heise

Ja, also ich glaube deine Eingangsdiagnose ist völlig richtig. Die Landwirtschaft wird in ihrer Komplexität und den Herausforderungen – technisch und betriebswirtschaftlich – einfach komplett unterschätzt. Ich habe sie, muss ich auch ganz ehrlich sagen, selber auch unterschätzt, bevor ich dann in dem Unternehmen angefangen habe zu arbeiten. Aber man muss sich folgendes klar machen: Ein Mähdrescher als Beispiel ist wirklich eine fahrende Fabrik. Und der fährt in verschiedenen Getreidearten, in verschiedenen Fruchtfolgen, der fährt auf verschiedenen Untergründen und all das – und ist dabei trotzdem total präzise.

Also keine Ähre wird heutzutage zweimal gemäht von so einem Gerät. 98 % des Getreides, das auf dem Kornhalm sitzt, kommt wirklich hinten im Tank an. Und das alles funktioniert natürlich nicht mit einer herkömmlichen Maschine. Das braucht Hightech, das muss man einstellen, da muss man mit der Maschine umgehen können. Und allein, dass man das einstellen können muss, bedingt schon, dass die Kabine heute zum Beispiel von innen ganz anders aussieht. Also wir haben ein Gerät, das wird in der Regel nicht mehr über ein Lenkrad gesteuert, sondern über einen Joystick. Und wir haben mindestens ein, eher zwei Terminals, die vorne im Sichtbereich angebracht sind, mit einem Touch Display, wo ich allerlei Dinge an der Maschine einstellen und feintunen kann. Ich kann mich auch für eine Automatik entscheiden, die das für mich übernimmt, aber diese Möglichkeiten sind alle in der Maschine vorhanden. Das bringt die Technik an sich mit. Was vielleicht sogar noch spannender ist und auch für den Landwirt noch spannender ist, ist, was außen um die Kabine herum passiert. Wir fahren in einer potenziell staubigen Luft. Es ist relativ laut, die Vibrationen sind groß.

Und jetzt stell dir vor, du bist acht Stunden oder noch länger auf so einem Gerät unterwegs. Das ist natürlich ein extremer Stress. Da konzentriert und vernünftig zu arbeiten ist ganz schwer. Darum ist es für uns extrem wichtig, zum Beispiel viel in die Kabine zu investieren. Also die Kabine ist für uns ein zentraler Touchpoint für den Kunden. Die bietet eine Rundumsicht mit Komplettverglasung, er kann überall hingucken, er muss nicht aussteigen, hat in der Regel eine Top Beleuchtung auch nach außen. Hat natürlich einen super Sitz, hat eine spitzenmäßige Klimaanlage, ist Geräusch isoliert. Also wir tun eigentlich alles dafür, dass der Landwirt, wenn er auf dem Feld unterwegs ist, das gut machen kann und sich voll auf seine Arbeit konzentrieren kann.

Kai Vorhölter

Du hast gerade angesprochen, es ist eine sehr herausfordernde Thematik, diese Steuerung zu machen und ich kann mir vorstellen, da sitzen wir ja jetzt nicht immer studierte Informatiker auf dem Sitz, sondern ganz im Gegenteil. Wie geht ihr da vor? Also wird bei euch UX betrieben? Wie verfeinert ihr da, die Displays? Wie geht ihr da vor?

Jan Heise

Ja, also ich glaube der entscheidende Punkt ist Kundenkontakt, Kundennähe, dem Kunden zuhören. Wenn du mich fragst, soweit ich das beurteilen kann, ist das auch vielleicht der Haupterfolgsfaktor gewesen: nah am Kunden zu sein und da gut zuzuhören. Das ist natürlich je größer man wird, umso schwieriger. Wir sind in aller Welt unterwegs, nicht mehr nur in Deutschland. Wir haben allerlei verschiedene Geräte, sehr komplexe Geräte. Da haben wir einen großen Vorteil: Dadurch, dass wir auf dem Dorf sind, haben wir wirklich auch viele Mitarbeiter, die zumindest von einem Bauernhof kommen. Also Ingenieure, die tatsächlich zu Hause einen landwirtschaftlichen Betrieb hatten, gibt es relativ viele. Nicht immer wird ja der Betrieb aufgeteilt, sondern in der Regel übernimmt ein Kind den Betrieb. Und was machen die anderen? Da ist Claas natürlich als Arbeitgeber erste Wahl. Wir haben darüber hinaus auch immer noch viele Mitarbeiter, die einen eigenen Betrieb führen, also im Nebenerwerb noch Landwirte sind. Es gibt auch eine ganze Reihe Mitarbeiter, die im Sommer bei Landwirten und Lohnunternehmern in der Ernte mitfahren.

Also die bauen die Maschine quasi über das Jahr und im Sommer verbringen die ihre Freizeit damit und fahren in der Ernte, weil sie so begeistert vom Produkt sind. Und das schafft natürlich auch ein extremes Wissen, ein inhärentes Wissen in der Organisation. Gut, das genügt nicht immer. Wir machen natürlich auch, wie man erwarten würde, weltweit große Kundenzufriedenheitsbefragungen, das ist jedes Jahr ein ziemlicher Aufwand, um zu verstehen, wo der Kunde steht. Und das letzte, lass mich das noch erwähnen, ist natürlich der Handel, unser Face zum Kunden. Unser Face to the Customer sind ja gar nicht wir, sondern das machen ja unsere Handelspartner. Die stehen im Feuer, das sind diejenigen, die kriegen das ungefilterte Feedback. Also ist es für uns extrem wichtig, auch zum Handel einen engen Draht zu haben und zu verstehen, wo der Schuh drückt. Von da kriegen wir eigentlich die wichtigen Impulse zurück.

Kai Vorhölter

Stark. Waldemar, vielleicht bringst du mal deine Perspektive ein.

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Wenn man diese mehrstufige Wertschöpfungskette sieht, dann ist natürlich das Erkennen der Kundenzufriedenheit und der Kundenanforderungen eine Herausforderung. Die Beispiele, die von Claas kommen, sind ja fantastisch. Also sowohl methodisch als auch individuell. Und dadurch hat ein Unternehmen wie Claas natürlich einen riesen Fundus an Know-how, mit dem es helfen kann, den Wert, den der Kunde kreieren will, noch zu verstärken. Und das ist ja beim Customer Experience eigentlich das Grundprinzip, dass der Anbieter einen Service zur Verfügung stellt. Und dieser Service ist das gewonnene Wissen, die Erfahrungen aus den letzten Jahrzehnten, die dann mit den Anforderungen des Kunden zu der Lösung führen, die dem Kunden im Prozess des Nutzens der angebotenen Lösungen neuen Wert schafft. Und je näher man an den Anforderungen ist und je präziser man reagieren kann, umso höher ist der Wert. Und deswegen ist dieses Modell, was wir jetzt sozusagen de facto bei einem Familienunternehmen wie Claas sehen, ein exemplarischer Fall wie CX funktioniert. Es hat natürlich ganz viele Fallstricke und das ist wahrscheinlich auch die echte Schwierigkeit, die das Unternehmen hat. Wenn ich eine Lösung finde, muss die nicht für eine andere Situation passen. Oder wenn ich einen Technologiestand habe, dann muss der morgen nicht mehr passen. Also sowohl die Varianz in der Anwendung als auch die Varianz in der Zeit. Und dann haben wir ja natürlich die Digitalisierung in ihrer höchsten Form. Und diese Digitalisierung will natürlich auch die Verbundenheit mit den anderen Playern im Ecosystem. Also, für mich ist es eine echte Herausforderung. Also meine Frage wäre, wie werden solche Herausforderungen bei Claas erfasst und umgesetzt?

Jan Heise

Jetzt hast du natürlich eine ganze Reihe von spannenden Aspekten angesprochen. Das ist in der Tat so: Die Komplexität der Maschine nimmt nicht nur zu, weil wir, die im klassischen Ingenieurwesen, die Maschine auf die Spitze treiben und sie durchoptimieren bis ins Letzte, sondern weil eben Vernetzung zwischen Maschinen eine riesige Rolle spielt und weil eben auch nicht jeder Landwirt nur eine Claas Maschine fährt. Sondern das sind in der Regel Betriebe, die haben ein eigenes Betriebswirtbewirtschaftungs-System, also eine Software laufen. Die haben vielleicht einen Claas Mähdrescher und haben dann ein anderes Fabrikat als Trecker oder als Häcksler oder als Presse. Das kommt alles vor. Und die miteinander zu verbinden, und sie miteinander funken und funktionieren zu lassen, ist natürlich eine Hauptherausforderung. Und in der Digitalisierung noch mehr, als es das physisch ist. Also physisch kann man sich das ja ungefähr so vorstellen: du hast einen Trecker, der Trecker hat ein Aggregat, das erzeugt Strom, treibt den Trecker voran und hinten ist eine Zapfwelle, die sich dreht und das Aggregat, das hinten dranhängt, antreibt.

Auch da gibt es digitale Komponenten. Wie steuern wir das hinten richtig aus? Das ist ein Treiber der Komplexität. Und darauf können wir uns nicht ausruhen. In Fragen der Digitalisierung haben wir uns dazu entschlossen, auch verstärkt Partnerschaften einzugehen. Wir haben nicht den Alleinstellunganspruch, wir laufen nicht dem Irrglauben nach, dass wir da die Welt heilen könnten, sondern am Ende ist es so, dass wir dem Kunden helfen müssen, seine Maschinen zu vernetzen. Und wir haben uns dann auch entschlossen, bestimmte Daten mit Wettbewerbern zu teilen. Also wir machen an bestimmten Stellen die Maschinendaten frei. Wir definieren zusammen mit anderen großen Spielern bestimmte Standardschnittstellen und sagen: „So, folgende Standarddaten geben wir alle gemeinsam aus unseren Maschinen raus, machen die so kompatibel, dass die miteinander funken können und dass die Kunden das auch nutzen können.

Also wir versuchen gemeinsam, die Hürde möglichst gering zu halten, damit der Landwirt diese Interoperabilität hinkriegt, dass das funktioniert.

Kai Vorhölter

Das finde ich mega spannend. Kannst du uns da vielleicht ein konkretes Beispiel geben, über das du sprechen darfst? Was sind das für Daten, die ihr da teilt, die dann wiederum Nutzen beim Kunden schaffen?

Jan Heise

Stell dir einen Mähdrescher vor, der über ein Feld fährt. Jetzt kann der Mähdrescher natürlich spitzenmäßig messen: Wie viel Ertrag kommt an welchem Punkt auf dem Feld eigentlich hinten in der Maschine an? Diese Information kann ich, wenn ich die zur Verfügung stelle, in ein Planungstool geben und im nächsten Jahr kann der Landwirt diese Information auslesen und kann dann dafür sorgen, dass die Spritze – wir stellen gar keine Spritzen her – dass die Spritze die er hat oder die Sämaschine, die er im nächsten Jahr einsetzt genau diese Information hat, verarbeitet und dann dafür sorgt, dass er im nächsten Jahr sehr zielgerichtet sät und spritzt und seinen Mitteleinsatz optimiert.

Das geht natürlich nur, wenn wir die Daten in ein Format geben, was für die anderen auch verarbeitbar ist und da sind wir sehr bemüht, das hinzukriegen. Das ist nicht immer einfach, weil, wie ich schon angedeutet habe, die Hersteller natürlich auch Konkurrenten sind. Das ist so. Aber am Ende überwiegt, glaube ich, gerade in der Landtechnik das Kundeninteresse. Da sind wir, vielleicht mehr als andere Branchen, noch wirklich an dem Kunden interessiert, weil das ein Investitionsgut ist, weil das eine langfristige Investition ist. Wir sehen den Kunden nicht jedes Jahr wieder, jedenfalls nicht beim Neumaschinenkauf und sind einfach darauf angewiesen, dass der über einen langen Zeitraum mit uns zufrieden ist. Der kurzfristige Sale ist bei uns eigentlich nicht das Ziel.

Kai Vorhölter

Jetzt passt es ja schon super, wir sind ja schon dabei. Du hast beschrieben, dass ihr sehr viel reinhört in die Zielgruppen über diese Umfragen und dass ihr euch auch den VC-Markt in eurem Segment anschaut, also immer guckt, kommen da neue Startups aufs Tablett? Aber wenn ihr selber in eure Innovationsprozesse schaut, wie entsteht denn bei euch außerordentliche Innovation? Kannst du uns da einen Einblick geben?

Jan Heise

Wir haben natürlich einen Entwicklungsprozess, den das Unternehmen ein Stück weit strukturiert und es gibt auch Entwicklungsprozesse für digitale Lösungen. Vielleicht verrate ich so viel: Wir haben in Dissen, das ist hier in Niedersachsen, so 20 Kilometer quer übers Feld, einen Technologiestandort gebaut. Einen komplett neuen Standort, an dem wir wirklich Top-Talente zusammenziehen und versuchen, mit ganz agilen Methoden, ganz anders als wir das in der klassischen Entwicklung kennen, nicht im Wasserfall, sondern wirklich komplett agil, uns dieser Softwareentwicklung zu nähern. Man merkt das bei uns in den Methoden sehr stark, dass dieser Einfluss kommt. Wir haben auch, glaube ich, gerade eine neue Funktion geschaffen, die jetzt versuchen soll, dieses agile Thema wieder so ein bisschen zu strukturieren. Wir sind eben ein großer Laden und wenn der eine Bereich das vormacht, dauert das, bis das in den anderen Bereichen angekommen ist und braucht auch ein bisschen Unterstützung.

Kai Vorhölter

Ja, ich glaube, das ist total normal. Hast du da vielleicht auch schon ein Beispiel, was schon am Markt ist, was man auch nennen dürfte, das aus dieser Zukunftswerkstatt oder diesem agilen Arbeiten auch schon rausgepurzelt ist an Innovation?

Jan Heise

Ich bin nicht sicher, ob das das ist, worauf du abzielt, weil es eigentlich nicht in der Maschine steckt, das Beispiel, das ich jetzt bringe. Man muss sich vorstellen, der Landwirt hat im Prinzip verschiedene Dinge. Er hat eine Maschine, die er bei uns kauft und mit dieser Maschine arbeitet er. Und wir arbeiten dann eben daran, mit agilen Methoden eine Plattform zu bauen. Wir nennen das Claas Connect. Dort findet der Kunde alles rund um unsere Maschine an einem Ort. Er kann dort ganz banal eine Betriebsanleitung herunterladen, er kann aber auch die Position und den Status, – also ist meine Maschine eigentlich gesund? – da überwachen. Zumindest ist das das Ziel. Er kann auf der gleichen Plattform das Ersatzteil bestellen. Er kann die Werkstatt dafür buchen. Er sieht: Wann ist meine Maschine wieder dran für die Wartung? Auch nicht nur für eine Maschine, sondern für seine komplette Claas-Flotte. Das ist so ein Produkt, das wir nach modernen, agilen Methoden entwickelt haben und welches wir immer noch weiterentwickeln. Das geht dann natürlich weiter und wir sagen: Die Maschine, da hört es nicht auf!

Was macht der Landwirt eigentlich mit den ganzen Daten, die aus der Maschine kommen, die er dann benutzen kann, um seinen Betrieb zu optimieren? Auch da sind wir aktiv und versuchen stärker in diesen Bereich „Farm und Feld“ zu gehen und ihm auch da ein Angebot zu machen, das für ihn gut funktioniert. Das ist nicht unbedingt eins, das dann nur für Claas Maschinen ist. Der Landwirt hat ja, wie gesagt, mehrere Maschinen, mehrere Fabrikate. Das haben wir bewusst so gemacht, dass wir sagen: „Hier, wir bieten dir etwas an, wir arbeiten an etwas, auch mit Partnern zusammen, das für bunte Höfe funktioniert – nicht nur für uns.“ Diese ganzen Softwarethemen sind bei uns eigentlich komplett agil und laufen zum Teil in Dissen, zum Teil zentral, zum Teil in Berlin. Da sind wir an verschiedenen Stellen sehr aktiv.

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Das, finde ich, ist ein ganz tolles Beispiel. Auch deswegen, weil unser letzter Diskussionspartner Christian Thess zufälligerweise ein ähnliches System hat: Bosch Smart Home Connect. Damit machen Sie ähnliche Aufgaben und erzielen auch ähnlichen Erfolg. Ein zusätzlicher Hinweis aus dem Gespräch mit Christian Thess damals: Es gibt auch Bosch Smart Home Connect Plus, mit dem dann die Bosch Geräte mit anderen Geräten komplett eingebunden werden. Also die Ebene darüber, in der heute Google Home, zum Beispiel zu Hause ist, aber im Gegensatz zu Google Home ist es offen, also Open Source und offen für alle anderen. Das fand ich jetzt im Vergleich zu dem Gespräch von heute sehr spannend. Einfach deswegen, weil die Entwicklung ist ja – ich will nicht sagen parallel – aber da gibt es die dringende Notwendigkeit, in die Maschinen reinschauen zu können, die Verbindung mit anderen Geräten aufzubauen, das eigene Wohlfühlen zu programmieren und zu bestimmen und dann eben auch die nächsten Schritte, also dieses Plus vorzubereiten. Was kommt danach? Für Smart Home ist es der Rasenmäher und für euch ist es die Trading-Plattform für Mais. Das fällt mir dazu gerade ein.

Jan Heise

Es gibt im Prinzip ja zwei Wege, das zu versuchen. Der eine ist zu versuchen, ein geschlossenes Ökosystem aufzubauen, ein Ökosystem, beispielsweise rund um die Apple Produkte, das möglichst gut funktioniert und bei dem ich das Log-in hinkriege. Wo der Kunde ein Apple Gerät hat und danach hat er nur noch Apple Geräte. Das kann man versuchen. Ich bin nicht sicher, ob das immer im besten Interesse des Kunden ist. Und wir haben dazu weder die Größe, noch würde ich sagen, ist das unsere Strategie. Ich will den Kunden nicht durch meine Lösung am Ende dazu nötigen, noch ein weiteres Produkt von mir zu kaufen, sondern ich will dem Kunden etwas anbieten, das seinen Bedürfnissen entspricht. Und wenn er lieber ein anderes Gerät kaufen möchte, dann ist das so. Dann habe ich ihn an einer bestimmten Stelle nicht überzeugt. Das ist für mich auch eine Frage von Kundenorientierung, Kundenfokus und auch vielleicht auch als Familienunternehmen unser Anspruch, da ehrlich das Kundeninteresse in den Fokus zu nehmen und nicht in Wirklichkeit mein geheimes Umsatzinteresse zu verfolgen.

Kai Vorhölter

Sehr cool. Jan, wenn wir noch mal ein anderes Themenfeld streifen dürfen: Es ist ja ein großer Trend gerade in der Wirtschaft, die Sharing Economy. Ich meine, gerade im Automobilbereich sehen wir, dass es immer mehr darum geht, dass man etwas nicht zwangsweise selbst besitzen muss, sondern es mit anderen teilt. Das kennen wir von unseren Kunden, wie zum Beispiel ShareNow. Jetzt könnte ich mir vorstellen, dass so ein Mähdrescher, der ja eine substanzielle Investition ist, wahrscheinlich auf der Hand liegt, dass man sich auch Geräte, also Hardware teilt und nicht nur Daten austauscht unter den Landwirten. Wie läuft das da? Kannst du uns da mal einen Einblick geben? Ist das gang und gäbe? Oder eher nicht, weil alle die Dinge gleichzeitig brauchen?

Jan Heise

Ich muss kurz schmunzeln, weil ich persönlich mich vor zwei Jahren relativ intensiv mit dem Thema Neue Digitale Geschäftsmodelle bei Claas befasst habe. Und da sind wir auch auf das Thema gekommen und haben dann aber nach kurzem Überlegen festgestellt: Das ist in der Landwirtschaft eigentlich gar nicht neu. Das gibt es seit ewigen Zeiten und ist komplett besetzt das Feld, denn nicht jeder Landwirt leistet sich ja einen Häcksler oder einen Mähdrescher, mit Preisen im mittleren bis oberen sechsstelligen Bereich und stellt sich den hin. Sondern da gibt es viele, die das gemeinsam machen als Maschinenring, so nennt man das, wenn Höfe sich Geräte teilen. Oder auch Lohnunternehmer, die solche Flotten betreiben, gar keine eigenen Höfe haben, jedenfalls nicht immer und dann im Prinzip in der Ernte für diese Arbeit für andere machen. Was ist daran, sozusagen, das Spezifikum? Um so eine Maschine zu bedienen, braucht man natürlich eine gewisse Qualifikation. Man muss das können. Also einfach nur den Mähdrescher übergeben – das ist ein teures Produkt! – da muss ich auch ein gewisses Vertrauen haben, dass der andere mit der Maschine gut umgehen kann. Und so ein Lohnunternehmer, der hat geschulte Fahrer, geschultes Personal. Die können relativ schnell, relativ effizient das vom Betrieb holen und können diese Maschine in dem kurzen Zeitraum, wo sie genutzt wird, natürlich dann auch sehr hoch auslasten. Also die fahren dann eben acht oder zwölf Wochen in der Ernte diese Maschine so gut es geht voll aus, von einem Landwirt zum nächsten, während der Landwirt selber, je nachdem wie groß er ist, aber ein kleinerer Landwirt hat natürlich eher ein begrenztes Fenster und dann ist diese Maschine vielleicht für ihn überdimensioniert. Also insofern ist das in der Landwirtschaft ehrlich gesagt ein alter Hut.

Kai Vorhölter

Jetzt haben wir ja stark über das Produkt an sich gesprochen und, wie ich finde, schon echt spannende Insights gehört, Waldemar. Wenn wir aber jetzt mal über eure eigene Client Experience sprechen dürfen, im Sinne von Anbahnung zu möglichen Käufen und auch Aftersales: Wie denkt ihr über eure Customer Experience nach? Wie schaut ihr, dass ihr die verbessert? Was ist euch da wichtig? Kannst du da mal ein bisschen drauf eingehen?

Jan Heise

Ja, ich fange mal von hinten an. Das Aftersales Thema ist – wenig überraschend für so einen großen Maschinenhersteller – natürlich ein Riesenthema, insbesondere weil unsere Maschinen ja wirklich arbeiten und unter unterschiedlichen Erntebedingungen Leistung bringen. Das heißt, da ist einfach ein gewisser Verschleiß da und das werden wir auch nie ganz wegkriegen. Wenn man sich jetzt eine Situation vorstellt, in der der Landwirt mit seinem Häcksler im Mais steht und dann geht was kaputt und das Ding fährt nicht mehr: er hat ein kurzes Erntefenster, oder der Lohnunternehmer hat den nächsten Termin, der schon wartet. Dann ist er natürlich im Aftersales nicht nur darauf angewiesen, dass wir eine spitzenmäßige Ersatzteilversorgung haben, sondern am Ende zählt da jede Stunde. Dann versuchen wir, zum Beispiel, alles, um unsere Service Partner, das sind dann wieder unabhängige Händler, in die Lage zu versetzen, dann bestmöglichen Service zu machen.

Ich kann dir zwei Beispiele geben: das eine ist das Thema Fehlerferndiagnose und das andere ist das Thema Fehlerfrüherkennung. Was heißt Fehlerferndiagnose? Die Maschine steht und theoretisch kann sich der Techniker des Händlers da drauf schalten, kann die Fehlercodes auslesen, anstatt sich auf das zu verlassen, was er am Telefon erklärt bekommt, was gerade kaputt ist. Er erkennt an den Fehlercodes: „Oh, bei diesem Muster sind normalerweise diese drei Sachen nicht in Ordnung.“ Er lädt die entsprechenden Ersatzteile sofort in den Bulli, fährt hin, repariert das und die Maschine fährt weiter. Statt, wie heute manchmal, hinzufahren und festzustellen: „Oh, mir fehlt das richtige Teil, ich muss noch mal zurück!“, dann hat er schon zwei Stunden verschenkt. Das ist auch für den Landwirt, für beide eine frustrierende Erfahrung. Vielleicht ist das Ersatzteil dann auch nicht im lokalen Lager, sondern muss erst aus dem Zentrallager dann per Express da hingeschickt werden. Das kostet also auch Geld.

Da investieren wir viel Geld, um zu versuchen, es unserem Handelspartner zu ermöglichen, dem Kunden den besten Service anzubieten. Die Steigerung davon ist natürlich dann die Fehlerfrüherkennung, mit der man die Maschine regelmäßig überwachen kann und anhand bestimmter Muster erkennen kann: „Oh, Moment, die Ölqualität an der und der Stelle hat jetzt nachgelassen. Wenn wir jetzt nicht einschreiten, dann ist mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit in den nächsten 50 Betriebsstunden ein Getriebeschaden zu erwarten.“ Wenn wir das erkennen, dann können wir den Kunden anrufen und sagen: „Hör zu, ich glaube, da ist mit deinem Getriebeöl etwas nicht in Ordnung. Besser du kommst jetzt rein. Ich weiß, dein Wartungsintervall ist eigentlich erst in 100 Stunden, aber komm besser jetzt rein, dann machen wir das und dann müssen wir nicht nachher das Getriebe tauschen.“ Diese Art von Service, die wirklich auch den Frust vermeidet, ist für uns extrem wichtig.

Kai Vorhölter

Stark! Das heißt also, da wo eigentlich die deutschen Automobilhersteller gerade dem Tesla hinterherlaufen mit Over-the-Air-Updates, mit Fehlerfrüherkennung und solchen Sachen, Datenübertragung durch das Auto, da seid ihr eigentlich schon drei Schritte weiter. Kann man das so sagen?

Jan Heise

Ja, as sind noch nicht immer Lösungen, die zu 100 % und in allen Märkten funktionieren. Auch da suchen wir uns natürlich erst mal Pilotmärkte und auch Pilotpartner aus. Aber in Summe würde ich sagen, die Automobilindustrie und die Nutzfahrzeugindustrie sind da nicht die Innovationsführer, wenn ich das so bold sagen darf.

Kai Vorhölter

Waldemar du sprichst ja wirklich auch immer wieder mit vielen anderen Industrieikonen, wenn du das so hörst, wie klingt das für dich?

Jan Heise

Es hört sich an wie guter deutscher Mittelstand, muss ich zugeben. Ich habe ja auch vergleichbare Kontakte mit vergleichbaren Unternehmen und da wird in dieselbe Richtung gedacht. Das gleiche Phänomen gibt es hier wie dort. Es ist eine Investitionsfrage und dann auch die Frage: Kann ich das noch zu einem vernünftigen Preis verkaufen? Das gilt für Baumaschinen, das gilt für Fertigungsmaschinen. Aber ich denke das ist auch der Wettbewerbsvorteil von deutschen Unternehmen. Wir haben ja große landwirtschaftliche Maschinenhersteller aus den USA und wir haben die neu dazu kommenden Chinesen, die natürlich andere Anforderungen haben, aber auch ganz andere Bedingungen haben und deswegen auch die Chance haben, günstiger anzubieten. Aber den Fokus, den wir hier haben, mit dem starken Customer Experience-Fokus, mit der Datenorientierung, den finde ich bei nichteuropäischen Herstellern nicht so sehr. Natürlich, wenn ich jetzt nach Amerika schaue, die sind in etwa auf dem gleichen Niveau, haben aber andere Bedingungen, weil sie ganz andere landwirtschaftliche Verhältnisse haben.

Ich denke, man muss offen sein im Wettbewerb, aber auch offen gegenüber neuen Anforderungen. Und da ist natürlich auch die Anforderung, dass die große Landwirtschaft nicht unbedingt die Landwirtschaft sein wird, die überall in der Welt bedient werden muss. Da werden auch kleine Maschinen gebraucht und da werden auch diffizilere Applikationen gebraucht und natürlich auch diffizilere Datenvorhaltungen, die dann eine komplett neue Struktur beheben.

Jan Heise

Das ist sicher richtig und ist natürlich auch Teil unserer Herausforderung. Claas ist gestartet als Mittelständler aus Ostwestfalen. Ich habe es eben schon gesagt: Wir sind in vielen Bereichen Marktführer, in sehr vielen Bereichen Technologieführer. Und wenn man sich dann in Märkte begibt, die nicht so hoch technisiert sind, wie insbesondere Deutschland und Europa, dann ist das natürlich eine extreme Herausforderung. Man muss erst mal die Leute haben, die überhaupt ein günstiges Produkt entwickeln können. Bei einem früheren Arbeitgeber hat der Entwicklungsleiter mal zu mir gesagt: „Herr Heise, merken Sie sich eins: Deutsche Ingenieure können kein günstiges Produkt entwickeln.“ Das hat er gar nicht böse gemeint. Das war einfach ein Befund. Ich will das von uns gar nicht behaupten. Ich glaube, wir haben die richtigen Leute an der richtigen Stelle für genau das Aber es ist eine Challenge, es ist eine Herausforderung. Und der Markt in China, in Asien ist so groß, der wächst und die Technologisierung wächst da sehr stark, schneller als bei uns. Also die Adaptionsrate ist sehr hoch. Da gilt es, den richtigen Zeitpunkt nicht zu verpassen. Wir sind in China mit dem Produkt unterwegs und wir wollen versuchen, da auch aktiv mitzuwirken und zu partizipieren. Aber wie gesagt, Kosten und Entwicklungskompetenz spielen da eine echte Rolle.

Kai Vorhölter

Ja. Mega! Das Thema IoT ist ja dann wirklich bei euch auch absolut gelebte Praxis. Also nicht nur, wie du es beschrieben hast, mit dem mit dem Connect, also dass entsprechende Apps mit den Geräten und die Geräte untereinander kommunizieren, sondern dass, wie wir jetzt auch erfahren haben, die Geräte dann für Servicethemen, Pre-Maintenance und solche Sachen auch Daten zu euch reinspielen.

Können wir vielleicht auch noch mal ganz kurz über das 365FarmNet von euch sprechen? Das ist ja bewusst nicht Claas-gebrandet und geht ja nochmal einen Schritt weiter. Du hast eben mal ganz kurz angedeutet, dass es darum geht, wirklich das Management des Hofes oder des Betriebs zu verbessern. Wie geht ihr da vor und was ist da die Stoßrichtung?

Jan Heise

Du hast es schon richtig zusammengefasst und ich habe es ja auch vorhin schon angedeutet. Es gibt einen Grund, weshalb bei 365FarmNet nicht Claas darübersteht. Ich glaube, es hat sich inzwischen herumgesprochen, dass wir der Investor sind, aber wir haben das bewusst nicht in Harsewinkel platziert. Wir haben das bewusst anders gelabelt, weil wir glauben, dass das eine Lösung ist, die dem Kunden hilft.

Das ist ja quasi die aufnehmende Hand für die Information, die unsere Maschine liefern kann. Wir glauben daran, dass wir da einen Mehrwert stiften können, wenn wir, vielleicht auch anders als manche Konkurrenten, auf eine sehr lösungs- und sehr, sehr markenoffene Welt setzen und dass das für den Kunden auch eine gewisse Attraktivität hat. Erstens zu wissen, dass ein Unternehmen wie Claas mit ehrlicher Kundenorientierung dahinter steht, da langfristig orientiert ist und auch erkennt: „Okay, da kann ich mit einer guten Lösung ankommen.“

Da ist es in 365FarmNet egal, ob ich eine Claas Maschine, eine John Deere Maschine, eine Maschine von Fendt oder eine chinesische Maschine fahre. Die alle können im Prinzip ihre Daten da reinspielen und jeder der so einen bunten Hof hat, kann mit dem System arbeiten. Das ist für uns eigentlich der angedachte USP von 365. Und vielleicht muss man auch ergänzen: Das ist ja nichts, was wir komplett alleine entwickeln wollen, sondern die ursprüngliche Strategie von 365 ist gewesen – und es ist eigentlich immer noch – zu sagen, wir bieten das auch Partnern an. Da können andere Partner, das müssen gar nicht immer Landmaschinenhersteller sein, das können auch Saatgut- oder Düngemittelhersteller etc. sein, können da ihre spezifischen Lösungen auf der Plattform platzieren und dann kann der Kunde sich zum Teil auch zwischen konkurrierenden Lösungen unterscheiden. Stell dir vor, zwei Saatguthersteller laden da ein Tool für Saatenplanung hoch, dann muss der Kunde selbst entscheiden, welches davon für ihn das Richtige ist, was den größten Komfort, die beste Auswahl bietet. Das kann er tun und trotzdem ist das komplett integriert, wie in einem zentralen EAP-System.

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Ich würde gerne einen Begriff von dir noch mal wiederholen, der mich berührt hat: Die „ehrliche Customer Experience“. Ich finde das ist ein ganz toller Begriff. Wir haben ja im deutschen Bereich den „ehrbaren Kaufmann“. Und diese Parallele finde ich ganz spannend, dass ihr diesen Begriff aufnehmt. Einfach deswegen, weil ihr sozusagen niemanden über den Tisch ziehen wollt. Und wir kennen ja Unternehmen, wir hatten es auch jetzt diskutiert, die mit 35 % Nettomarge operieren „müssen“, weil das von den Shareholdern gefordert wird. Und wenn man diesen Ansatz hat, eine ernsthafte, eine ehrliche Kundenerfahrung erzeugen zu wollen, dann habe ich ja auch vom Herangehen her einen völlig anderen Mindset. Ich habe ja eine ganz andere Vorstellung in meinem Kopf, die im Wesentlichen darauf basiert, dass ich mit jemandem gemeinsam etwas machen will.

Das ist im Sinne von Service Dominant Logic, das ist im Sinne von einer positiven Veränderung der Welt. Und das finde ich persönlich sehr toll, weil sich dadurch ein Unternehmen qualifiziert und darstellt, was eigentlich mehr erreichen will als nur, dass es Produkte verkauft, sondern es will die Situation verändern. Es will die Erntemöglichkeiten erhöhen, es will die Versorgung der Menschheit verbessern und damit ist es für mich ein echtes H2H-Unternehmen: also vom Menschen zum Menschen. Damit seid ihr ein Showcase für mich, für die Zukunft.

Jan Heise

Am Ende wollen wir natürlich auch Geld mit unseren Produkten verdienen. Das ist glaube ich klar.

Kai Vorhölter

Müsst ihr ja.

Jan Heise

Da muss man ja niemandem etwas vormachen, das ist klar. Aber ich fand das Stichwort von dir jetzt schön: „gemeinsam“. Also mit dem Kunden und mit unseren Partnern gemeinsam zu wachsen und nicht irgendjemanden unterwegs zu verlieren. Da schließt sich der Kreis zu dem, was ihr eingangs gesagt habt. Da sind wir im Investitionsgüterbereich. Also die Kunden investieren in eine teure Maschine und wir investieren in die Kundenbeziehung, damit das eine langfristige Veranstaltung wird und der Kunde in fünf oder zehn Jahren dann wieder kommt und die nächste Maschine auch von uns kauft.

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Wir haben in der Landwirtschaft auch Beispiele, bei denen das nicht so ist. Also kleiner Hinweise auf die Saatguthersteller – ich will jetzt keinen persönlich nennen – aber da haben wir Situationen geschaffen, die Knebelsituationen ähneln.

Jan Heise

Das ist total richtig und da sind wir auch sehr sensibel. Das muss man vielleicht noch mal sagen: Die Datenhoheit liegt für uns immer beim Kunden. Es gibt ganz viele Dinge, über die wir schon diskutiert haben, die wir einfach nicht machen. Die sind grundsätzlich ausgeschlossen. Das sind die Daten des Kunden und wir machen die Dinge, die in seinem Interesse sind und nichts, um uns zu begünstigen. Ich finde das persönlich einfach toll, in einem Unternehmen zu arbeiten, welches sich das „leistet“ und sich davon distanziert im Interesse der Kunden. Ich selbst will als Kunde auch nicht so behandelt werden.

Kai Vorhölter

Ich möchte das auch noch mal von unserer Seite unterstreichen. Wir sagen das ja auch unseren Kunden. Customer Experience wird in unserer Branche ja immer schnell als reines Technologiethema gesehen: Dass es darum geht, eine neue Software-Suite einzuführen oder dass es um Marketing Automation geht. Und wir sagen ja immer: Es ist vor allen Dingen erst mal ein Haltungsthema. Es ist eine eine Haltung. Klar, die gibt es schon länger, diese Kundenzentrierung, aber ich glaube, es geht noch einen Schritt weiter, wie wir heute gehört haben: Diese ehrbare oder ehrliche Customer Experience. Und dafür muss ein Unternehmen natürlich erst mal eine DNA haben und dann muss es auch dahin kommen. Und dann folgt das Thema Technologie und Execution.

Ja, Jan, vielen, vielen Dank. Ich kann nur sagen, ich hatte zwischendrin ein paar Mal Gänsehaut. Ich fand, das war sehr bewegend, sowohl aus meiner Berufspraxis heraus, insbesondere das, was wir heute über Technologie-Einsatz gehört haben im B2B-Bereich, aber auch, was für eine Haltung ihr als Unternehmen an den Tag legt. Das war sehr inspirierend, sehr bewegend. Ich bin mir sicher, unsere Zuschauer werden es genauso sehen. Waldemar, auch dir natürlich vielen Dank, dass du wieder dabei warst und deine scharfen Gedanken eingebracht hast.

Liebe Zuschauer, das war eine weitere Folge unserer CX Lounge. Die nächsten Gespräche stehen schon an, von da aus: Schaltet einfach wieder ein!

Alexandra Gerstung

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Alexandra Gerstung
Business Development Manager