CX LOUNGE Transkript #24

Die Rolle des Menschen im B2B-Vertrieb der Zukunft mit Frank Notz von Festo

Zusammenfassung der Folge

Oftmals noch als „Hidden Champion“ beschrieben, ist Festo doch führender Anbieter auf dem Gebiet von Automatisierungstechnik. Mit 20.000 Mitarbeitenden hat es sich der Mittelständler – wie er sich selbst zurückhaltend beschreibt – zur Aufgabe gesetzt, immer wieder „Innovation in Tradition“ zu finden. Wie sich Digitalisierungstrends auf den B2B-Vertrieb auswirken und was dieser sich aus der B2C-Welt abschauen kann, erfahren Sie in dieser CX Lounge Folge.

Sprecher:
Kai Vorhölter x Frank Notz

Kai Vorhölter

Herzlich willkommen zu einer weiteren Show der CX-Lounge. Heute sind wir zu Gast im schönen Esslingen – und zwar bei der Festo SE. Im Gespräch mit mir: Frank Notz, Vorstand für Vertrieb und Marketing. Toll, dass wir da sein dürfen, Frank.

Magst du kurz ein bisschen etwas zu dir erzählen? Wie bist du zu diesem Job gekommen?

Frank Notz

Oh, ja. Das ist eine wirklich lange Geschichte. Für die Interessierten würde ich sagen, einfach mein LinkedIn Profil anschauen. Da steht alles drin, was meine Karriereschritte betrifft. Ich durfte viele unterschiedliche Dinge bei Festo machen. Immer zwischen Technik, Vertrieb, kundenspezifischen Lösungen. Mal ein Intermezzo in der HR, dann Deutschland, USA und China. Also ich habe die Festo-Welt von ganz vielen unterschiedlichen Perspektiven kennenlernen dürfen.

Kai Vorhölter

Und auch eine internationale Perspektive, wie man hört.

Frank Notz

Auch eine internationale Perspektive. Und ich glaube, das ist insbesondere für die Vertriebsrolle sehr wichtig, weil wir natürlich unterschiedliche Kunden aus unterschiedlichen Märkten haben. Und da gibt es sicherlich auch Spezifika.

Kai Vorhölter

Ja, absolut. Frank, bevor wir dann richtig in die Festo-Welt eintauchen, frage ich meine Gäste immer gerne vorab nach einem persönlichen CX-Moment. Wo hast du in letzter Zeit eine gute Kundenerfahrung gemacht? Bewusst außerhalb von Festo, wenn es geht. Fällt dir da etwas ein?

Frank Notz

Na ja, was ist eine gute Kundenerfahrung? Ganz spezifisch ist, wenn man positiv überrascht wird. Also wenn eine Leistung eines Lieferanten oder eines Partners geboten wird, mit der man nicht rechnet. Und ich hatte tatsächlich vor Kurzem im Bereich der Telekommunikation einen Internetanbieter, der mich in Bezug auf die Performance positiv überrascht hat.

Und das glaube ich, gilt es auch in unsere Welt zu übertragen. Also die extra Meile zu gehen oder etwas zu machen, das über das Normale hinausgeht – geht sicherlich nicht immer, aber das ist erstrebenswert.

Kai Vorhölter

Ich bin da ein großer Verfechter des Kano Modells. Er hat das sehr schön beschrieben, dass, wenn gewisse Basismerkmale nicht erfüllt werden, Kunden eine exponentiell schlechte Kundenerfahrung machen, weil die Kunden erwarten: „Wow, sorry, aber das muss einfach sitzen!“. Bei den Leistungsmerkmalen funktioniert das jedoch so, dass je mehr du investierst, desto zufriedener ist auch der Kunde. Genau, was du sagst – das Unerwartete. Es ist ein sehr anstrengender Weg, aber man kann dort richtig gewinnen, wenn an der Stelle noch einmal einer draufgesetzt wird, wo ich als Kunde gar nicht damit gerechnet habe. Ich bin da ganz bei dir.

Frank Notz

Ja, absolut. Also wenn man irgendwo anruft oder E-Mails schreibt, dann ist das Mindeste, dass man eine Antwort bekommt. Ohne das wird alles andere ganz schwierig.

Kai Vorhölter

Das würde ich dann eher noch als Basis- oder Leistungsmerkmal bezeichnen. Tatsächlich arbeiten wir mit vielen Kunden an diesem Thema und da geht es auch immer sehr stark darum zu schauen, wo wir auf der Customer Journey etwas Besonderes erbringen können. Darauf kommen wir auf jeden Fall gleich noch zu sprechen.

Jetzt ist es so, mir als Stuttgarter muss man nicht sagen, wer Festo ist. Aber ihr seid ja nun wirklich im wahrsten Sinne des Wortes ein Hidden Champion. Und ich glaube, so mancher aus Deutschland hat vielleicht kein klares Bild von euch. Magst du ein paar Sätze dazu sagen, wo ihr herkommt und was ihr macht?

Frank Notz

Wir sind ein – und das betonen wir – ein unabhängiges Familienunternehmen. Das heißt, wir sind nicht von irgendwelchen Geldgebern abhängig. Wir sind führender Anbieter in der Automatisierungstechnik. Wir bringen im Grunde genommen die Maschine in Bewegung. Und das machen wir auf der pneumatischen Seite und auf der elektrischen Seite. Wir sind ein klassischer Mittelständler: 20.000 Mitarbeitende, knapp 4 Milliarden Umsatz. Und wir machen die Dinge, glaube ich, schon richtig gut.

Kai Vorhölter

Das glaube ich auch. Das finde ich übrigens interessant: Nur in Deutschland spricht man noch vom Mittelständler. In vielen anderen Ländern würde man das nicht mehr sagen. Aber das ist die typisch schwäbische Bescheidenheit. 20.000 Mitarbeiter und 4 Milliarden ist ja schon eine ganz schöne Sache. Magst du noch ein wenig über eure Werten erzählen?

Frank Notz

Wir haben Werte wie jedes andere Unternehmen auch. Wertschätzend, zielstrebig, anspruchsvoll und so weiter. Diese haben wir auch schon vor vielen, vielen Jahren für uns definiert. Sie geben uns den langfristigen Rahmen. Klar ist, dass wir das natürlich auch in der täglichen Arbeit versuchen, so gut wie möglich umzusetzen. Jedes Unternehmen hat dazu irgendwelche schönen Poster an der Wand, aber es bringt ja nichts, wenn man die Werte nicht wirklich lebt und verinnerlicht.

Und da machen wir sehr viel. Auch das Thema Nachhaltigkeit und Mitarbeiter stehen bei uns im Mittelpunkt. Es ist nicht nur eine Plattitüde, sondern wir machen das wirklich ernsthaft. Aber auch weitblickend – also Stichwort Innovation. Was ist das Bedürfnis des Marktes von morgen und übermorgen? Und da auch die Kombination – deshalb habe ich vorher betont, wir sind ein Familienunternehmen – wo man auch durchaus langfristige Gedanken und Strategien entwickeln und implementieren kann.

Das finde ich eine tolle Kombination. Wir haben neben unseren Werten auch Verhaltensanker, welche quasi noch viel mehr das tägliche Leben betreffen, also beispielsweise „do not wait“ oder „improve“ – also jeden Tag die Dinge ein Stück besser zu machen, zu hinterfragen – oder auch „synchronize“.

Also sich wirklich nicht nur mit den Kollegen auszutauschen, sondern auch mit anderen Ressorts, mit Kunden, mit Lieferanten, mit Partnern. Das sind schon gute Dinge, welche uns auch viel Struktur geben.

Kai Vorhölter

Cool! Sehr schön! Du hast gerade eben gesagt, in Bezug auf die Pneumatik seid ihr mitunter führend in der Welt. Kannst du trotzdem noch ein bisschen genauer beschreiben? Wer sind eure Kunden? Welche Industrien oder Segmente könnte man beschreiben?

Frank Notz

Also dazu reicht es nicht nur ein Sätzchen zu sagen. Ich möchte das präzisieren. Wir machen Pneumatik, da kamen wir einmal her. Aber wir machen inzwischen auch ganz, ganz viel in der elektrischen Automatisierung. Also wir sehen uns als wirkliche Automatisierung, unabhängig von der Technologie. Typische Kunden sind die Maschinenbauer, ob das jetzt ein Nahrungsmittel-Maschinenhersteller ist oder ein Hersteller für Halbleiter oder jetzt neue Märkte wie Wasserstoff-Produktion oder Life Science. Das sind so typische Kunden, die Maschinenbauer – eine große Kundengruppe. Und dann gibt es die Kundengruppe, die die Maschinen betreiben, also die Firmen, die tatsächlich dann Lebensmittel herstellen oder Automobile. Also diese zwei Kundengruppen sind unsere Hauptfokussegmente.

Kai Vorhölter

Und da von kleineren Unternehmen bis zum Konzern.

Frank Notz

Also das typische kleine innovative Unternehmen mit etwa 10-20 Mitarbeitenden bis hin zu diesen allseits bekannten Weltkonzernen. Das ist auch ein Konzept: Wir sind in sehr, sehr vielen Branchen unterwegs. Global, große Kunden, kleine Kunden. Da kommen wir sicherlich auch noch einmal darauf zu sprechen. Das macht uns auch robust bei unterschiedlichen konjunkturellen Höhen und Tiefen. Von dem her ist es ein sehr stabiler Markt.

Kai Vorhölter

Unser Thema ist Customer Experience und klar, das findet heutzutage auch stark digital statt. Man hat auch tolle Möglichkeiten mittlerweile. Wie würdest du das denn beurteilen? Wo stehen eure Kunden, was das Thema Digitalisierung betrifft?

Frank Notz

Ja, ich möchte dazu ein bisschen ausholen. Da ist die Frage: Wer ist der Kunde? Und ich möchte nur einmal ein paar Dimensionen aufmachen. Jedes Unternehmen redet immer von DEM Kunden. Aber in unserem Fall könnte es ein ganz großer oder ganz kleiner Kunde sein. Wie eben gesagt, es könnte ein Kunde sein aus der Entwicklungsabteilung oder aus dem Einkauf oder aus dem Operations-Bereich.

Also ich habe unterschiedliche Funktionen. Es können Kunden sein aus unterschiedlichen Geografien, es können Kunden sein, aus unterschiedlichen Branchen. Das ist sozusagen unsere Herausforderung. Und wenn ich darauf schaue, dann sieht man, dass unterschiedliche Länder digitalen Instrumenten unterschiedlich zugeneigt sind. Das hat vielleicht auch etwas mit der Generation zu tun, aber Fakt ist, und das ist der große gemeinsame Rahmen, es tut sich unheimlich viel in unserer Schnittstelle zum Kunden hin, was Digitalisierung angeht.

Aber man darf nicht vergessen, wir sind sehr, ich nenne es mal konservativ im Markt. Da gibt es natürlich noch ganz viele traditionelle Themen. Beispielsweise über 80 % unserer Kunden bestellen mit dem sogenannten elektronischen Fax. Quasi per E-Mail. Es ist auch eine elektronische Bestellung, aber es ist nicht so, wie wir das aus dem B2C berechnen.

Kai Vorhölter

Okay, okay. Ich verstehe, dass es ein sehr heterogenes Bild ist. Aber gibt es grundsätzlich in Bezug auf das Geschäftsmodell Veränderungen von Kundenbedürfnissen, die du übergreifend feststellen kannst?

Frank Notz

Also wenn wir jetzt über das Thema Digitalisierung reden, dann die Informationsbeschaffung. Also die findet nahezu ausschließlich auf den digitalen Instrumenten statt. Schon der Bestellprozess ist digital. Ein traditioneller Prozess wurde damit digitalisiert, also da tut sich sehr viel. Aber auf der anderen Seite das Thema Beratung. Das ist natürlich noch sehr, sehr stark humanlike.

Und das ist, finde ich, auch gut so. Natürlich, der Trend geht glasklar in die Richtung, dass in Zukunft der ganze Verkaufsprozess von A bis Z deutlich digitalisiert wird. Nun ist sicherlich die spannende Frage, wie denn so ein Vertrieb im Jahr 2030 aussieht.

Wenn man jetzt einmal die gemachten Erfahrungen aus der Vergangenheit nach vorne projiziert, wird vieles anders sein. Und ich sage, vieles wird auch dramatisch anders sein als heute.

Kai Vorhölter

Wenn du jetzt noch einmal auf die Journey des Vertriebs schaust, die ist am Ende ja ein sehr wichtiger Begegnungsort mit euren Kunden. Kannst du ein bisschen beschreiben, wie das normalerweise aussieht? Du hast gerade gesagt, Recherche findet online statt, dann meldet man sich. Ich meine, viele werden euch kennen, aber jetzt gehen wir einmal davon aus, der Kunde kennt euch noch nicht. Dann meldet er sich – und dann?

Frank Notz

Also viel beginnt im Vorfeld mit Search Engine Marketing. Es geht darum zu sagen, es gibt ein gewisses Grundinteresse. Dann geht es um die Auswahl und da geht es schon los: Welche Auswahl-Tools stellt man typischerweise dem Konstrukteur oder dem Einkäufer zur Verfügung und wie machen wir sein oder ihr Leben an der Stelle leichter?

Dann geht es darum zu spezifizieren, also konkret zu dimensionieren. Dann muss ich irgendwann bestellen, dann muss ich schauen, wie bekomme ich die Bestellung in meine Maschine so einfach wie möglich integriert. Dann betreibe ich die Maschine und dann muss ich auch schauen, in welchem Zustand die Maschine ist oder ich brauche Ersatzteile oder auch weitere Dinge.

Also das ist für uns so die typische Journey und wir haben die schon sehr, sehr digital, aber immer auch physisch. In unserer Journey wirft man sich die Bälle zu zwischen der digitalen Welt und der physischen Welt. Und wenn ein Kunde komplett in der digitalen Welt bleiben möchte, kann er das heute machen.

Wenn ein Kunde aber Hilfe bei der Auswahl oder bei der Konfiguration benötigt, dann unterstützen wir gerne, um eben auch diese Vielfalt entsprechend zu entwickeln.

Kai Vorhölter

Ich würde gerne gerade diesen Beratungsprozess besser verstehen. Ist es für euch sehr entscheidend, dass ihr auch möglichst früh die Fertigung eurer Kunden besucht und dann mit ihnen an den Maschinen steht, oder macht ihr das mittlerweile auch häufig per Videotelefonie, dass man denjenigen losschickt und sagt: „Zeig mir mal deine Fertigung.“ Wie kann ich das verstehen?

Frank Notz

Also der echte Mehrwert ist, dass wenn der Kunde ein Maschinenkonzept designt, wir sehr früh zusammen am Tisch sitzen. Dabei kann man aus unterschiedlichen Perspektiven den echten Mehrwert generieren. Wir auch für unsere Kunden. Wenn Maschinenkonzepte entstehen, dann geht es nicht darum, ob man Produkt A oder B nimmt.

Wir haben 35.000 Katalog Produkte. Da ist es schwierig, den Überblick zu behalten.

Wenn man dann sagt, für diese Anwendung speziell zum Beispiel „end of line“, „packaging“ oder egal was, geht es darum zu fragen, was die Anforderungen sind. Typischerweise die Maschine schneller zu machen oder die Produktivität zu steigern. Das sind so typische Fragestellungen. Gemeinsam mit den Partnern der Kunden wirklich so eine Art Brainstorming zu machen, das ist, womit wir wirklich einen Mehrwert für alle Beteiligten generieren können.

Der Bestellprozess nachher muss einfach nur total effizient sein. Ja, aber es ist weniger die Auswahl, sondern vielmehr die Auslegung, das zu machen. Da entstehen nachher die richtigen Produktivitäten. Unsere Kunden stehen natürlich auch massiv im Wettbewerb mit ihren Marktbegleitern und alles, was wir tun können, um unsere Kunden erfolgreicher zu machen, ist letztendlich wertschöpfen.

Das ist nicht einfach, weil man natürlich auch da viel braucht und wie du sagst, dieser ganz enge Dialog. Man muss auch mit den Augen und Ohren dabei sein. Wenn ich weiß, was das Problem ist, dann kann ich auch remote arbeiten. Wir haben alle unsere Erfahrung im Homeoffice gemacht. Für Kreativprozesse bin ich nach wie vor der Überzeugung, dass es in der Auslegung, im Design und der Konstruktion ein Brainstorming Setup braucht.

Kai Vorhölter

Das heißt, ihr schaut wirklich, dass ihr schnell bei den Kunden vor Ort seid, wenn ihr merkt, dass das jetzt wirklich relevant ist.

Frank Notz

Wir sind regelmäßig bei den Kunden vor Ort. Und dann typischerweise identifiziert man natürlich eine neue Maschinengeneration oder eine neue Gelegenheit. Es kommt entweder der Impuls vom Kunden oder wir geben den Impuls und ab da geht es quasi idealerweise auf Augenhöhe in den Dialog.

Kai Vorhölter

Du hast jetzt viel über die Chancen und Möglichkeiten gesprochen, gibt es auch knallharte Herausforderungen insbesondere aus einer Vertriebssicht heutzutage?

Frank Notz

Ja, also ich würde sagen, die Wettbewerbsintensität hat dramatisch zugenommen, und zwar auf allen Ebenen. Auf unsere Kunden Ebene sowie auf der Ebene von Marktbegleitern. Warum ist das so? Ein Grund sind sicherlich die asiatischen Marktbegleiter, die sich zumindest in unserem Segment zunehmend internationalisieren. Das ist sicherlich einer der wesentlichen Treiber.

Der zweite Treiber ist Geschwindigkeit. Und die Geschwindigkeit, das kennen wir alle aus unserem Privatleben, erhöht sich dramatisch und wer da nicht mehr mitkommt, wird abgehängt. Ich vertrete die These, dass wir deutschen Ingenieure natürlich immer noch vor einer Herausforderung stehen, weil wir immer diesen Perfektionismus anstreben. Das dauert aber lange. Bevor ich das perfekte Produkt habe, brauche ich viel Zeit.

Und heute ist es ein normales Verhalten, dass 80 % vielleicht auch gut genug ist. Übrigens sage ich, wenn ich einem deutschen Ingenieur sage, 80 % ist gut genug, dann entspricht das immer noch 100 % im gesamten weltweiten Kontext. Aber da müssen wir auch ran als Deutschland, deutsche Ingenieure, deutscher Maschinenbau und unsere deutschen Kunden, weil wir sonst zu langsam sind. Wir müssen diese Agilität in unsere Prozesse und Organisation hineinbekommen. Wir können nicht alles bis zum Ende austesten. Das erfordert auch Mut und Risiko. Aber wir bringen die Voraussetzung mit, das Handwerk. Wir müssen nur ein Stück weit mutiger werden und auch einmal ein halbes Auge zudrücken.

Kai Vorhölter

Ich verstehe das natürlich, aus der, sagen wir mal typisch deutschen Perspektive – diese Gründlichkeit. Wenn man sich jetzt noch einmal das andere Spektrum, zum Beispiel China, anschaut, wo die Geschwindigkeit wie Projekte hochgezogen werden, extrem hoch ist. Ist das dann teilweise ein Thema, da überhaupt mitzukommen? Oder geht das eigentlich?

Frank Notz

Man muss, es gibt keine Option. Man muss da mitkommen. Wenn man nicht mitkommt, wird man nicht erfolgreich sein und das hat auch etwas mit dem kulturellen Footprint, wie ich es nenne, zu tun. Man muss auch viele Dinge lokalisieren, weil das sonst nicht funktioniert. Also ich kann mit meiner Erfahrung, die ich mit chinesischen Kunden mache, hier natürlich viel nicht missionieren.

Aber man muss das natürlich nicht nur intellektuell verstehen, sondern auch machen und da glaube ich, sind die Chinesen eine Benchmark, was Geschwindigkeit angeht – übrigens auch die Nordamerikaner. Das ist einfach schnell und pragmatisch.

Kai Vorhölter

Man hat es an der Tesla Fabrik gesehen. Na gut, der Elon Musk ist noch mal ein ganz Besonderer.

Frank Notz

Aber man bekommt es doch auch hin. Ich glaube, wir alle können uns an die Nase fassen. Am Anfang wurden viele belächelt und wenn man jetzt heute mit Abstand darauf schaut, dann funktioniert es doch. Sowohl auf der nordamerikanischen Seite als auch auf der asiatischen bzw. chinesischen Seite. Und das darf man nicht unterschätzen. Jedes Unternehmen muss sich Gedanken machen, wie man sich darauf einstellt.

Über eine höhere Lokalisierung beispielsweise. Wie bekomme ich den Spirit hinein, sodass ich ein bisschen Tempo hineinbringe.

Kai Vorhölter

Du hast zuvor beschrieben, dass das Ideale ist, möglichst schnell mit den Leuten an einen Tisch zu kommen. Was ich als Dienstleister jetzt selbst erlebe, ist, dass die Unternehmen ja oft versuchen den Einkaufsprozess und diesen Annäherungsprozess möglichst anonym zu machen, um dann preislich noch mehr Druck auszuüben.

Das steht ja quasi im Gegensatz dazu. Gibt es da Strategien, um diese persönliche Ebene schneller zu etablieren?

Frank Notz

Gut, ich sage mal, wir müssen natürlich schon jetzt sehr eng begleiten. Wir haben hier unterschiedliche Bedürfnisse und auch der Kunde hat unterschiedliche Bedürfnisse. Klar ist, dass wir das nicht so wahnsinnig prickelnd finden, wenn ein Kunde sagt: „Ich habe hier schon mal meine Stückliste und jetzt geht es nur noch um den Preis.“

Jetzt gibt es aber auch Gott sei Dank den Fall, die Maschine ein bisschen produktiver zu machen und dann braucht man ein bisschen Engineering, Know-how und diese partnerschaftliche Ebene. Aber es gibt auch knallharte Interessen seitens des Einkaufs bei unseren Kunden. Das ist ja klar, keiner hat irgendetwas zu verschenken.

Am Ende reibt man sich durchaus auch intensiv – im positiven Sinne. Aber man darf nicht vergessen, wenn unsere Kunden nicht erfolgreich sind, sind wir es auch nicht.

Von dem her gesehen ist das unser Beitrag. Aber es ist auch klar, wenn wir den Entwickler überzeugt haben, dass Festo das beste Produkt hat, dann ist es nicht so schlecht.

Kai Vorhölter

Du hattest im Vorgespräch ganz kurz gesagt, „Wir sind eine sehr konservative Branche und natürlich auch noch B2B“. Wenn du jetzt das Thema Kundenmanagement und Kundenbegeisterung betrachtest, gibt es da Dinge aus der B2C-Welt, die du dir ganz bewusst anschaust und sagst, das können wir irgendwie adaptieren?

Frank Notz

Es ist natürlich die Journey im B2C-Bereich und wir haben alle Benchmarks, die wir richtig gut finden und das ist schon der Punkt, an dem wir uns messen. Im B2B sind ein paar Themen fundamental anders als im B2C-Bereich. Wenn ich im B2C online bestelle, dann bin ich hundertprozentig das Buying Center. Ich bin der Konstrukteur, ich bin der Einkäufer, ich bin der Betreiber nachher.

Es ist ganz einfach. Ich muss mich nicht im vier Augen Prinzip mit jemandem abstimmen. Denn das Risiko trage ich. Wenn ein Kunde jetzt eine neue Maschine konstruiert, gibt es unterschiedliche Rollen und es gibt auch Freigabeprozesse. Ich brauche vielleicht ein zweites Angebot oder ich muss sehen, wie ich das technische Risiko, das in einem komplexen System immer da ist, einigermaßen minimieren kann.

Es ist etwas komplexer und nichtsdestotrotz wird die B2B Welt in diese Richtung gehen. Aber wir stellen fest, es geschieht langsamer als gedacht. Vor zehn Jahren haben wir bereits gesagt, die B2B Welt lehnt sich völlig an die B2C Welt an. Sowohl ja, als auch nein. In einzelnen Prozessen.

Viele Kunden brauchen zwei Unterschriften auf einer Bestellung.

Das muss im Shop abgebildet werden. Der Konstrukteur legt etwas in den Shop, der Einkäufer bestellt und irgendwie braucht es noch einen Genehmigungsprozess. Die Frage ist nun, wie kommt diese Bestellung in unsere ERP-Systeme und in die des Kunden? Es ist alles ein bisschen komplexer. Aber eins ist glasklar, es geht um die Journey, und zwar um die schnittstellenarme Journey. Das ist die große Kunst im B2B. Diese Seamless Customer Journey. Wer das gut kann, hat Wettbewerbsvorteile.

Kai Vorhölter

Kannst du noch mehr darauf eingehen? Was ihr da alles habt? Der Shop war schon mal ein gutes Beispiel.

Frank Notz

Die Journey, also Dimensionierung und dann die Produktkonfiguration. Als Beispiel unsere schöne Ventilinsel, die wir hier vor uns haben, hat 10 hoch x theoretische Möglichkeiten. Jetzt habe ich die konfiguriert. Nun geht es darum, die konfigurierten Daten einfach in meine Konstruktion oder in den Digital Twin zu übernehmen, also dass ich nicht nochmals dieselben Daten eingeben muss. Das hört sich vielleicht total banal an, aber wir haben natürlich unterschiedliche Systeme und nachher bei der Inbetriebnahme habe ich nochmals ein anderes System. Ich habe auch unterschiedliche Personen. Also der oder diejenige, die dieses Produkt konfiguriert, ist höchstwahrscheinlich nicht dieselbe Person, die es nachher im Shop Floor montiert und installiert. Und das nun über unterschiedliche Stakeholder hinzukriegen, das ist die große Herausforderung.

Kai Vorhölter

Du hast eben Digital Twin angesprochen und das würde mich sehr interessieren, weil tatsächlich mittlerweile beim Bau einer neuen Fertigungslinie oder Fertigungsstraße das ganze schon weit vorher komplett digital abgebildet wird. Gibt es da Besonderheiten, wie ihr euch da einklinkt oder wie man da zusammenarbeitet?

Frank Notz

Zunächst einmal muss man diese Funktionalität zur Verfügung stellen. Das ist auch noch nicht Common Sense. Als ein Unternehmen wie Festo, müssen wir die Fähigkeit haben, Digital Twins, unsere Komponenten, unsere Systeme dem Kunden zur Verfügung zu stellen. Und dann hängt es davon ab, was der Kunde damit macht. Möchte er gerne eine vollständige Maschinensimulation haben oder nachher im Maschinenbetrieb Transparenz über den Zustand der einzelnen Komponenten, Elemente, Submodule der Maschine?

Oder nehme ich das digitale Abbild, um meine Maschinenbediener einzulernen. Es gibt demnach unterschiedliche Dinge. Das Verbreitetste ist natürlich Preventative Maintenance, sozusagen die Zustandsüberwachung einer Komponente. Manche schauen auch: Passt es einfach gut in mein Design, stimmt die Performance nachher tatsächlich? Bekomme ich drei oder fünf Stück pro Minute raus oder geht es überhaupt?

Da gibt es unterschiedliche Use Cases. Wichtig ist natürlich, wir sind Komponentenlieferant. Wir müssen unseren Kunden diese Funktionalität zur Verfügung stellen und möglichst einfach in die Schnittstellen der Systeme integrieren.

Kai Vorhölter

Wie könnt ihr denn jetzt das Thema Kundenzufriedenheit angehen, gerade wenn der Kunde das gekaufte und eingebaute Produkt in seiner Fertigungslinie hat und jetzt etwas passiert? Man weiß nie. Dann kommen sicherlich auch Moments of Truth, wo man sich gegenüber dem Wettbewerb positiv differenzieren kann, wenn man dann in einer Krise Dinge besonders gut löst. Kannst du da ein bisschen darauf eingehen, wo man da noch mal einen Unterschied machen kann, also auch gegenüber den Mittwettbewerbern?

Frank Notz

In einer Krisensituation steht die Maschine, dann muss man maximal schnell reagieren, das ist klar. Das ist für alle maximal unangenehm und am Ende, geht es um den Produktivitätsverlust. Die Kunst ist aber, alles zu tun, damit dieser ungeplante Stillstand nicht eintritt. Deshalb ist es auch ein großer Trend, dass man die Komponenten smarter macht, digitaler also intelligenter, um letztendlich die Möglichkeit zu haben, den Zustand der Maschine einzusehen. Zu wissen, wann fällt das Ventil oder der Zylinder oder die Baugruppe aus? Das rechtzeitig zu erkennen, um alle vorbereitenden Maßnahmen treffen zu können, ist Preventive Maintenance. Jetzt bekommt man aufgrund der verbesserten Rechenleistung deutlich mehr Datenpunkte, die eine Maschine sammelt. Dadurch erhalten wir bzw. der Kunde die Möglichkeit bessere Modelle zu machen.

Unsere Aufgabe ist es als Komponentenlieferant die Komponenten so smart zu machen, dass der Kunde in der Lage ist, den Zustand seiner Maschine zu erkennen. Viele unserer Kunden versprechen auch ihren Kunden gegenüber produktiv zu sein. Um dieses Risiko zu managen, muss ich wissen, wo die Schwachpunkte der Maschine sind und was ich dagegen unternehmen kann.

Kai Vorhölter

Kommt der Push diese Daten zu teilen vor allem von den Kunden oder seid ihr teilweise auch der Enabler, der sagt: „Bei uns ist das eigentlich Standard und man sollte sich überlegen, ob man das auch für andere Teile macht.“

Frank Notz

Daten teilen ist im deutschen Kontext noch etwas schwierig. Also es gibt immer diese prominente Diskussion, wem gehören die Daten? Aber ganz einfach angefangen. Wir müssen dem Kunden smarte Komponenten zur Verfügung stellen, damit er überhaupt in der Lage ist, Daten zu sammeln. Ob er diese Daten dann sammelt oder wer die sammelt, das ist eine andere Diskussion.

Aber ich würde sagen, wir sind relativ gut darin, den Zustand unserer Komponenten zu verstehen. Ein Maschinenhersteller oder viele andere Lieferanten, die dabei auch ihren Teil liefern, müssen sicherstellen, dass eine bestimmte Baugruppe nicht frühzeitig ausfällt. Die nächste Ebene ist natürlich eine echt smarte Maschine, die dann auch noch mit anderen Maschinen vernetzt ist, um diese Smart Factory am Ende des Tages zu generieren. Und das sieht man dann beispielsweise bei großen Automobilisten oder großen Maschinenbetreibern, die natürlich auch wieder mehrere Maschinen miteinander vernetzen. Damit habe ich einen durchgehenden Produktionsfluss und das Ökosystem wird dadurch immer größer und wir müssen wie jeder anderer Komponentenlieferant unseren Beitrag leisten, um überhaupt erst einmal dieses Ökosystem, dieses Konstrukt zu ermöglichen.

Wir machen da ganz viele Dinge, Smart Components – mit Machine Learning Algorithmen etc. kann man da heute wirklich viel machen.

Kai Vorhölter

Du sagst, okay, die Kunden sind nach wie vor sehr kritisch, Daten auszutauschen. Jetzt könnte es für euch durchaus eine besondere Stärke sein, dass eure Komponenten in zigtausenden Anwendungen verbaut sind und ihr dadurch vielleicht bessere Datenbestände habt, mit denen ihr Ausfälle besser prognostizieren könnt.

Das würde voraussetzen, dass der Kunde die Daten teilt.

Frank Notz

Genau. Da gibt es unterschiedliche Setups. Manche sind da offener. Man kann auch sagen, dass es jetzt erst richtig anfängt, an Intensität zu gewinnen, weil erst jetzt die Voraussetzungen dafür geschaffen wurden. Denn ich brauche eine gewisse Datenstruktur, dann brauche ich einfach Rechenkapazität. Ich brauche Möglichkeiten – meist zentral oder dezentral. Da gibt es völlig unterschiedliche Philosophien.

Also wie viel Datenanalyse mache ich bereits in meiner Maschine? Wie viel sende ich in die Cloud und mache dort die Analytik? Das würde ich als großen Megatrend betrachten. Aber es gibt kein One-fits-all in diesem Fall. Manche sind eher Closed Shop: Kein Byte verlässt meine Firma. Man darf auch nicht das Thema IT Security vergessen, das nimmt auch zu. Möchte ich als Maschinenbauer meine Daten im Internet haben? Möchte ich als Fabrik viel Dialog über die Fronttüren hinaus haben?

Also viele Fragen und ganz viel Aktivität. Für die Zukunft ist das sicherlich eines der spannenden Elemente. Also klassische, mechanische Komponenten intelligent machen. Da entstehen echte Mehrwerte, also Produktivitätsgewinne um 25, 30, 40 %, was in der Vergangenheit völlig unvorstellbar war. Das ist mit solchen Konzepten möglich.

Kai Vorhölter

Anschließend nochmal eine Frage meinerseits. Es ist bekannt, wir aus Deutschland sind nicht unbedingt die günstigsten, aber bieten, wie du das schon dargestellt hast, einfach eine sehr, sehr hohe Qualität. Ein Argument kann sicherlich das TCO, also Total Cost of Ownership sein. Damit argumentiere ich, dass es vielleicht initial etwas mehr kostet, aber am Ende einen Geschwindigkeitsvorteil im Produktionsprozess oder weniger Ausschuss schafft.

Wie geht ihr da im Vertrieb heran? Das ist weniger ein gemeinsames Konstruieren, sondern das ist vielleicht wirklich ein Konfigurator oder eine Excelliste, wo man dem Kunden so eine Rechnung aufmacht und darüber argumentiert.

Frank Notz

Genauso. Wir haben auch Auslegungstools. Nehmen wir mal als Beispiel den Maschenzylinder oder den elektrischen Zylinder. Basierend darauf kann man eine saubere Kalkulation machen, um zu beurteilen wie hoch ist der Energieverbrauch A, wie hoch von B gematcht mit meiner Applikation. Und daran kann ich feststellen, dass das Produkt A mich so viel kostet und das Produkt B im Vergleich zwar deutlich teurer ist, dafür aber etwas anderes kann.

Und wie lange ist jetzt CAPEX? Also Investition vs. meine Kosten für den Betrieb.

Das sind schon Mehrwerte, die auch zu guten Entscheidungen führen. Und natürlich ist Total Cost of Ownership etwas, das wir sehr intensiv praktizieren, damit nicht nur der günstigste den Auftrag bekommt, sondern damit wir wirklich über die Wegstrecke hinweg die beste Lösung haben.

Aber Total Cost of Ownership hat in unterschiedlichen Märkten eine unterschiedliche Relevanz. Wenn meine Maschine möglicherweise nur zwei Jahre hält, weil ich die nächste Generation von irgendeinem Elektronikprodukt herstelle, ist natürlich die Frage, ob das sinnvoll ist zu sagen, dass die FESTO Komponenten ein Leben lang halten.

Da es an der Stelle nicht richtig relevant für den Kunden ist. Daher kommen dort andere Konzepte ins Spiel.

Es ist nicht immer nur die eine Komponente. Man muss das Zusammenspiel von vielen Komponenten sehen. Aber es sind die zwei relevanten Elemente Capex und letztendlich die Kosten im operativen Betrieb.

Kai Vorhölter

Gerade bei Servicethemen darf es keine Ausfälle geben. Aber gibt es da auch Möglichkeiten, sich in diesem Fall positiv zu differenzieren? Für eine bessere Kundenzufriedenheit?

Frank Notz

Jetzt schauen wir uns nochmal die Journey an. Die Auswahl haben wir adressiert mit der Preventative Quality und all diesen sehr bekannten Schlagworten. Im B2B-Bereich gibt es auch noch einen zweiten Bereich, mit dem man für viele Kunden Mehrwert erzeugen kann. Und zwar sind wir heutzutage in unseren Entscheidungsprozessen wenig datengetrieben.

Was heißt das: Man geht ganz viel auf Erfahrung und Relations. Das ist die menschliche Ebene. Alles geht nach gutem Gefühl. Warum kaufen Kunden? Es gibt Sicherheit, Image, Preis, Wirtschaftlichkeit, Qualität. Unterschiedliche Kriterien. Und doch gibt es diesen großen Trend, der datengetriebenen Entscheidungen. Es ist total spannend das in einem Unternehmen wie Festo anzuwenden. Der Kunde kauft Produkt A, könnte aber auch Produkt B benötigen.

Aus der Ingenieurssicht ist völlig klar, ich brauch einen Zylinder, da ist ein Acht-Gewinde drin. Also nehme ich Zubehör, das zusammenpasst. Das ist logisch. Aber nun nehmen wir Informationen aus einem Datensee und schauen, welche Kunden ohne eine technische Beziehung Produkt A und zusätzlich Produkt B gekauft haben. Das sind für mich Elemente, wo wir heute bzw. morgen mehr datengetriebene Entscheidungsprozesse haben werden. Darin besteht der Mehrwert. Denn offensichtlich gibt es auch für eine bestimmte Kundengruppe dieses Bedürfnis, sonst würde nicht diese Korrelation entstehen. Oder zu sagen, ich kriege morgen ein sehr spezifisches Angebot für den Kunden mit der Größe aus der Branche.

Wenn ich in der Nahrungsmittelindustrie bin oder mich mit der Herstellung von Wasserstoff beschäftige, dann brauche ich möglicherweise keine Lösung, die für die Automobilindustrie passt. Also wie kriege ich ohne viel Aufwand ein personalisiertes Angebot zusammen. Und das ist echt ein Mehrwert, weil keiner Zeit hat.

Kai Vorhölter

Das finde ich jetzt wirklich superspannend, ein ganz tolles Beispiel. Das heißt, ihr generiert euch damit im Zweifel sogar Lead-Ideen. Wo der Vertriebler oder der Kunde selbst gar nicht darauf gekommen ist. Und jetzt plötzlich sagt euer Datenmodell, das könnte Mehrwert sein.

Frank Notz

Das ist absolut richtig und wir haben da erste wirklich vielversprechende Success-Stories. Eine habe ich gerade skizziert, mit der Überschrift „Datengetriebene Entscheidungen auf auf allen Ebenen“. Das wird auch die Zukunft des B2B sein, was wir auch von B2C lernen können, wie wir vorher adressiert haben.

Auch die Algorithmen dahinter, die muss man natürlich schaffen. Vor allen Dingen muss man das integrierte Datenmodell erschaffen. Dann diese Intelligenz anzuwenden, darin liegt die große Herausforderung. Wenn ich jetzt beispielsweise meine Vertriebskollegen, die täglich beim Kunden sind, frage, wie sie die ökonomische, wirtschaftliche Entwicklung der nächsten drei Monate oder sechs Monate sehen. Dann bekomme ich immer eine subjektive Antwort. Wenn ich das aber mit einem Datenmodell matche, das externe Faktoren sowie die tatsächliche Entwicklung der Branche im Sinne des Auftragseingangs oder des Wachstums miteinberechnet, dann entstehen da möglicherweise zwei unterschiedliche Welten.

Kai Vorhölter

Spannend, auch dass man den Kunden vielleicht in der Auslegung von Maschinen berät. Sagen zu können, dass seine Branche sich so und so entwickelt und das vielleicht gar nicht richtig ausgelegt ist.

Frank Notz

Ja, wie entwickelt sich eine Branche. Aber auch wie entwickelt sich ein Markt.

Also die negativen Botschaften, die verdrängen wir ja bis zum Schluss. Wir sagen uns, die wirtschaftliche Lage ist nicht so schlimm und das Wachstum – im Vertrieb muss man immer irgendwie Wachstum generieren. Und sehr klar ist auch unsere ureigenste Aufgabe.

Aber meine Botschaft ist: stärker zu diesen datengetriebenen Entscheidungen zu kommen und gepaart mit der menschlichen Kompetenz etwas aus diesen Daten zu machen. Man kann automatisierte Leads generieren, man kann aber auch mit diesem Datenmodell tatsächlichen Mehrwert für die Kunden schaffen. Zu sagen, ich weiß da schon etwas oder man die Kunden ja genauso damit beschäftigen.

Also das sind, finde ich, spannende Überlegungen, aber das gibt uns hier und da ein bisschen Unwohlsein, glaube ich. Dem einen oder der anderen.

Kai Vorhölter

Hast du spontan ein Beispiel, bei dem eine überraschende Kombination aufgedeckt worden ist?

Frank Notz 

Ja. Also eins habe ich gerade skizziert. Da kann man aber noch andere Beispiele machen. Zu sagen, wir machen automatisiertes Marketing beispielsweise. Je nach Kundenverhalten (…) Jetzt schicke ich eine E-Mail. Man öffnet sie oder man öffnet sie nicht. Damit kann ich hinterher etwas automatisieren, und das sind schon andere Elemente.

Also was ist dein Verhalten darauf? Was machst du damit? Oder es rufen ja ganz viele Leute auch im Contact-Center an. Jetzt gibt es ein gewisses Muster. Beim einzelnen Kunden erkenne ich es aber gar nicht. Bringe ich tausend Kunden oder tausend Informationen zusammen, erkenne ich vielleicht doch ein Muster. Da gibt es vielleicht eine Gruppe, die unzufrieden ist. Also haben wir ein Designthema oder haben wir ein Services-Level-Thema oder was auch immer. Und das ist sozusagen die Kunst. Es mangelt keinem an diesen einzelnen Punkten, aber aus diesen vielen Datenpunkten wie ein Mosaik ein Gesamtbild zu machen – und das ist aus meiner Sicht klar die Zukunft. Man erkennt Dinge früher und man kann sich früher darauf einstellen.

Kai Vorhölter

Ja, das sind zwei tolle Beispiele. Frank, du hast gerade gesagt, du willst nicht schon sechs Monate vorrausschauen oder deine Kunden teilweise nicht, aber ich habe trotzdem zum Schluss immer gerne meine Glaskugelfrage, um noch mal einen kleinen Ausblick zu wagen. Ich meine, wir haben ja schon vieles gestreift, von dem du sagst, das ist schon da und es wird sich noch deutlich verstärken.

Also in dem Sinne, wie mehr Daten analysiert werden, um daraus Dinge abzuleiten. Gibt es etwas, wo du sagst, das wird auf jeden Fall noch auf uns zukommen und uns die nächsten fünf, zehn Jahre prägen?

Frank Notz

Also ich befasse mich tatsächlich sehr intensiv damit, wie der Vertrieb im Jahr 2030 aussieht. In dem Fall mache ich das sehr stark aus dem Kontext von Festo heraus und die erste Aussage ist: Es sieht dramatisch anders aus, als es heute ist. Was heißt das? Das heißt, aus meiner Sicht wird sich die Rolle des Außendienstes ändern. In welche Richtung? Noch stärker in die Richtung Beratungskompetenz, denn das ist der echte Mehrwert.

Alles, was ich heute auf Papier finde, wird morgen einfach digital dargestellt sein. Du wirst ChatGPT fragen, welche von den zehn Festo Zylinderfamilien die richtige für die Anwendung ABC ist. Und wir werden das auch mit KI und Auslegungstools zusammenbringen. Also alles, was an transaktionalen Informationen da ist, wird im Jahr 2030 digitalisiert sein – zu 100 %.

Damit bleibt die Frage, was ist die Rolle des Menschen? Und die Rolle des Menschen im Verkaufsprozess wird natürlich sein, zusätzliche Beratungsleistung zu bringen, die über dieses Katalogwissen bzw. Basiswissen hinaus geht. Wenn das so ist, das auf der Kundenseite auch noch ein Mensch sitzt, dann wird die Relationship noch die weitere Aufgabe sein, diese zwei Hauptüberschriften werden es sein.

Wenn ein Szenario eintritt, dass auf der Kundenseite nur noch der Computer sitzt, dann hat es natürlich auch mit Digitalisierungszwängen auf der Lieferantenseite zu tun und das muss auch in Balance sein. Also es macht keinen Sinn, dass wir mit einem Chatbot auf Kundenseite reden, oder? Oder andersherum macht es auch keinen Sinn. Das heißt, da muss man immer schauen, wie ist der Trend und wir werden da garantiert einen Spread haben.

Manche Kunden werden da weiter sein, manche weniger weit. Das sehen wir heute schon, aber das ist spannend. Also die Rolle des Menschen wird sich verändern. Wir werden deutlich mehr datengetriebene Entscheidungen haben. Wir werden deutlich mehr Seamless Touchpoints haben. Wir werden ein deutlich mehr integriertes Vertriebsmodell haben. Viele nennen es auch Omnichannel. Also in der B2B Welt würde ich sagen, wenn es überhaupt unterschiedliche Channels gibt, dann ist es klassisch Multichannel.

Also ich habe einen Kunden, der ist im Händlerkanal, einen Kunden im direkten Kanal und einen im digitalen Kanal. Ich glaube das verschwimmt mehr. Das ist auch ein Trend, den ich aus dem B2C-Bereich sehe. Wir gehen in den Laden, schauen das Produkt an, fühlen, dass es gut ist, gehen dann Heim und bestellen bei dieser Brand.

Wir werden sehen, dass wir einen Teil digital machen. Also wir bestellen, holen es aber dann vielleicht doch ab, um das physisch zu haben. Wir kommen vom Multichannel zum Omnichannel im Jahre 2030 – auch so ein Thema. Der Mensch und die Artificial Intelligence, die KI, wir werden uns da gegenseitig die Bälle zuwerfen.

Aber um das auch klarzumachen, dass da auch kein Missverständnis entsteht, ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Menschen auch im Jahr 2030 eine entscheidende Rolle im Verkaufsprozess haben.

Kai Vorhölter

Bezogen auf die Zukunft. Ihr seid dann wirklich als Festo, ganz früher hat man mal die Deutschland AG gesagt, in der Mitte der technologischen Deutschland AG. Ihr seid ja vernetzt wie nur wenige. Wenn du da so auf den Standort und das Land schaust, vielleicht dazu noch ein Gedanke?

Frank Notz

Ich schaue durchaus kritisch darauf aus mehreren Perspektiven. Das, was uns stark gemacht hat, ist nicht unbedingt das, was vielleicht auch für die Zukunft richtig ist. Also das perfekte Produkt. Auf der einen Seite geht es am Ende des Tages um Wettbewerbsfähigkeit. Dann ist die Frage, wie gut ist unsere Lage, wie schnell sind wir im Entscheidungsprozess? Wie ist die Bürokratie, wie sind die Kostenstrukturen? Wie ist das Mindset? Sind wir auch leistungsbereit? Auf der anderen Seite haben wir auch ganz viele positive Dinge. Wir haben nach wie vor eine exzellente Universitätsausbildung, also richtig viel Brainpower, wir haben richtig viel Know-how und wir sind nach wie vor Tüftler – man muss uns nur lassen.

Man schreibt diese Technologien nicht gleich in der Nachkommastelle fest, sondern man stellt eine Aufgabe und dann geht es darum, dass die Ingenieure und die Physiker und unsere ganze Gesellschaft darauf herum kaut, und die werden gute Lösungen finden. Wir werden auch gute Lösungen finden, aber diese Überregulierung, damit tue ich mich schwer und ich bin ja auch viel in der Welt unterwegs und ich finde, wir müssen auch offen umhergehen – mit offenen Augen dafür, was wir auch von anderen lernen können und uns schnell darauf einstellen.

Wie gesagt, Geschwindigkeit gepaart mit mehr Intelligenz oder Know-how wird die gewinnende Formel sein für die Zukunft.

Kai Vorhölter

Ich habe gerade einen Begriff im Kopf, vielleicht passt das ganz gut: agiles Tüftlertum.

Frank Notz

Ja, perfekt.

Kai Vorhölter

Das könnte die Lösung sein für Deutschland. Also ich finde, das ist ein schönes Bild.

Frank Notz

Da entstehen auch neue Märkte. Wenn ich heute schaue, Wasserstoff habe ich vorher gesagt, das sind riesige Chancen für uns. Auch das Thema Nachhaltigkeit birgt riesige Chancen für uns. Ich finde, wir dürfen es nicht so ganz so missionarisch machen, sondern schon auch mit einem idealen Prinzip. Aber agiles Tüftlertum finde ich gut. Das beschreibt es gut.

Kai Vorhölter

Dann lass uns doch dabei verbleiben. Frank, vielen Dank. Ich habe viel gelernt. Also vor allen Dingen fand ich diesen Part sehr spannend, wo du gesagt hast, aus Daten Anlässe zu finden, um den Kunden besser zu beraten. Und wie du gesagt hast, aus deiner Vertriebssicht in Kontakt- und Servicepunkten etwas zu sehen.

Wo kann ich mein Produkt verbessern? Das ist ein Stück weit in der Kumulation, also der der Anhäufung, dann kann es mir wieder so ein Pattern zeigen. Da waren Sachen dabei, die ich das erste Mal gehört habe und deswegen: vielen, vielen Dank, dass wir darüber sprechen durften und hier sein durften.

Frank Notz

Sehr gerne. Es hat mich sehr gefreut, hat sehr viel Spaß gemacht.

Alexandra Gerstung

„Die Welt soll Ihre Marke sehen? Melden Sie sich bei uns.“

Alexandra Gerstung
Business Development Manager