Technologie

14.12.2021

Multiexperience: CX der Zukunft?

In der Diskussion rund um Customer Experience tauchen regelmäßig neue Begriffe auf, die mal mehr, mal weniger mit neuem Inhalt gefüllt werden. Um zwischen Buzzwords und tatsächlichen, mehrwertstiftenden Neuheiten zu unterscheiden, muss man die Konzepte verstehen. Ein Beispiel: Nachdem eine Zeit lang die Begrifflichkeit des “Omnichannel” allgegenwärtig war, ist mit “Multiexperience” nun ein neuer Begriff aufgetaucht.

Ob es sich dabei um den nächsten Schritt zur perfekten Customer Experience handelt oder doch nur eine weitere „Sau, die durchs Dorf getrieben wird“, habe ich mir einmal genauer angeschaut:

Multiexperience: CX der Zukunft?

Omnichannel und Multiexperience: die Unterschiede

Omnichannel beschreibt die Koordination aller vorhandenen Kanäle, um eine durchgängige Kommunikation in Richtung Kunden zu gewährleisten. Dabei geht Omnichannel von einer einheitlichen Logik aus, die die Kommunikation über verschiedene Kanäle an den Kunden aussteuert. D.h. es die gleiche “Experience” über die verschiedenen Kanäle hinweg ausgesteuert.

Multiexperience treibt diesen Gedanken einen Schritt weiter und legt den Fokus auf eine touchpointspezifische Kundenkommunikation. Kurz gesagt wird durch Multiexperience der Kanal zum Touchpoint mit der exakt darauf zugeschnittenen Experience. Dennoch wird gleichzeitig durch eine einheitliche Logik und Datenbasis eine nahtlose Erfahrung über verschiedene Touchpoints und Devices ermöglicht.

Die technischen Herausforderungen von Multiexperience

Egal ob man die Begrifflichkeit “Multiexperience” jetzt für gelungen oder notwendig hält, das was damit ausgedrückt werden soll, ist aus meiner Sicht richtig: Die Denke muss sich aus den engen Kanalgrenzen lösen, hin zu einer nahtlosen Erfahrung über mehrere Touchpoints hinweg. Bei der Bewertung von Multiexperience wirklich zentral ist jedoch, welche Konsequenzen und auch Herausforderungen mit sich bringt. Es ist nämlich nicht nur ein anderer Begriff, sondern auch eine andere Kategorie von CX-Management mit spezifischen Anforderungen:

  • Realisierung verschiedener Frontends
    Wenn wir von optimierten Nutzererfahrungen pro Touchpoint sprechen, dann gilt es diese auf den jeweiligen Touchpoint hinweg optimiert zu konzipieren und zu realisieren. Dies bedeutet Frontends für jeden spezifischen Einsatzzweck umzusetzen.
  • Einhaltung des CI/CD
    Verschiedene Frontends bringen die Frage mit sich: Wie können CI/CD und ein einheitlicher Look & Feel der verschiedenen Anwendungen mit Adaption auf die Spezifika des jeweiligen Touchpoints eingehalten werden?
  • Einheitliche Funktionsweise
    Nicht nur Look & Feel sollten über die Touchpoints durchgängig sein, sondern auch die dahinterliegende Funktionsweise und die damit verbundene Logik. Eine nahtlose Nutzererfahrung bedeutet auch, dass Funktionsweisen touchpointübergreifend intuitiv und gleichzeitig einheitlich sind.
  • Skalierbare Funktionalitäten
    Funktionalitäten müssen für alle relevanten Touchpoints erweitert werden können, ohne alle Anwendungen und Frontends umbauen zu müssen.
  • Spezifische Ausspielung von Content
    Einerseits geht es darum auf den Touchpoint zugeschnittenen Content auszuspielen, andererseits gilt es die gleiche Tonalität und Botschaft über verschiedene Touchpoints zu gewährleisten (Über die Bedeutung einer eindeutigen Botschaft im Rahmen von CX siehe auch den Beitrag meiner Kollegin Mercedes). Es geht also um Content, der sich aufeinander bezieht und dennoch spezifisch ist – und das am besten noch personalisiert.

Ansätze für Multiexperience

Das Gute ist: Es gibt bereits theoretische und praktische Ansätze, die ich im Folgenden skizziere, um Multiexperience zu realisieren. Danach ist es an den Unternehmen, zu beurteilen, ob sie die Voraussetzungen erfüllen oder ob Teile des Wegs noch vor ihnen liegen. Die Verheißung vieler nahtloser Kundenerfahrungen ist real, die Herausforderungen auf dem Weg dahin aber auch.

Ansätze für Multiexperien
  • Effiziente Entwicklung von Frontends durch moderne JS Frameworks
    Moderne JS Frameworks wie React, Angular, Svelte,Vue.js & Co. (um nur einige zu nennen) ermöglichen eine schnelle und schlanke Entwicklung von Frontends, die es uns ermöglichen ein zugeschnittenes Frontend für jeden Einsatzzweck zu konzipieren.
  • Komponentenbibliotheken für ein einheitliches Look & Feel
    Style und Komponentenbibliotheken ermöglichen es zusammen mit Styleguides und Design Systemen über verschiedene Anwendungen hinweg die gleichen Komponenten zu verwenden und das CI/CD durch die Nutzung der gleichen Code- und Stylebasis einzuhalten.
  • Stabiles und skalierbares Backend für eine einheitliche Funktionsweise
    Zur Realisierung einer einheitlichen Funktionsweise benötigen wir eine einheitliche Logik und eine einheitliche Backend-Architektur. Dies kann eine Middleware oder eine Digital Experience Platform sein, die als gemeinsame Code-Basis für die verschiedenen Anwendungen genutzt werden kann.
  • Microservices für eine skalierbare und einheitliche Funktionalitäten Microservices decken einzelne Funktionalitäten in Form von kleinen, überschaubaren Services ab, die einfach wart- und erweiterbar sind. Für neue Funktionalitäten können technologieagnostisch neue Microservices entwickelt, mit anderen Services oder Websites verbunden und damit die gleiche Funktionsweise über alle Touchpoints hinweg gewährleistet werden.
  • Eine Content-Plattform für eine gemeinsame Content-Basis
    Eine zentrale Content-Plattform wie etwa ein CMS oder eine Digital Experience Platform ermöglicht die Einhaltung derselben Tonalität und Botschaft über verschiedene Touchpoints hinweg.
  • Eine einheitliche Datenbasis für eine personalisierte Contentausspielung
    Um Content personalisiert ausspielen zu können benötigt es eine 360° Sicht auf einen Kunden. Customer Data Platforms und eine Integration in die jeweils relevanten Systeme (CRMs, Personalisierungstools, CMS/DXPs) konsolidieren Stamm- und Aktivitätsdaten einer Person und ermöglichen eine personalisierte oder segmentbasierte Ausspielung von Content.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass es qualitative Unterschiede zwischen Omnichannel und Multiexperience gibt. Letzteres ist eine sinnvolle Weiterentwicklung mit besonderen Anforderungen. Eine Sau durchs Dorf ist jedoch keines von beidem. Unternehmen müssen valide überprüfen, welche Voraussetzungen sie erfüllen und welche Anforderungen sie haben. Am Ende zählt, dass der Kunde tatsächlich im Mittelpunkt steht. 
Um Content personalisiert ausspielen zu können benötigt es eine 360° Sicht auf einen Kunden. Customer Data Platforms und eine Integration in die jeweils relevanten Systeme (CRMs, Personalisierungstools, CMS/DXPs) konsolidieren Stamm- und Aktivitätsdaten einer Person und ermöglichen eine personalisierte oder segmentbasierte Ausspielung von Content.

Peter Lang
Über Peter Lang:

Vom Standort in Stuttgart aus verantwortet Peter den Bereich System Architecture & Strategic Platform bei port-neo. Zusammengefasst macht er die optimale Kundenerfahrungen, die bestmögliche Customer Experience technologisch erst möglich. Er liefert in Projekten das technische Rüstzeug und sucht immer nach den individuell passenden Lösungen für seine Kundinnen und Kunden.